News zu PT, SW, no-man, IEM und BCDie komplette SW DiskografieVoyage PT SzeneberichteTexte zu allen PT LiedernReviews, Interviews, FAQ, Artikel, Specials, etc.FotosZahlreiche Links zu PT und SW ProjektenAlle Änderungen der WebsiteZurück zur Startseite

Artikel
Artikel:


Neue Zürcher Zeitung 05.07.2001:


Blumenkind mit Dornen / Der israelische Popstar Aviv Geffen

Blumenkind mit Dornen / Der israelische Popstar Aviv Geffen - ein besonnener Streiter für den Frieden / Popmusiker, Militärverweigerer, Rebell: Der 28-jährige Aviv Geffen ist in Israel eine Kultfigur. Mit Texten über Drogen, Gewalt und Einsamkeit trifft er den Nerv der israelischen Jugend, seine Lieder sind emotionales Ventil für die von Krieg, Tod und Terror geprägte "Fucked up Generation". Naomi Bubis traf den Musiker in Tel Aviv.

Er könnte auch gerade die Schule schwänzen, der Junge mit dem olivfarbenen "KGB"-T-Shirt, den roten Strähnen im schwarzen Haar, der barfuss im Café Tam sitzt und sich seine dritte Camel-Zigarette anzündet. Anders als bei öffentlichen Auftritten läuft der israelische Popstar Aviv Geffen ungeschminkt durchs Leben - ohne grellen Lidschatten und dunklen Lippenstift, mit denen er auf der Bühne "Bisexualität" demonstrieren will. Die Schule hat der 28-Jährige längst geschmissen, schon nach der achten Klasse. Zu langweilig war der Unterricht, zu einengend das System.

Radikale Texte

Der Autodidakt und Rebell Aviv Geffen, der mit provokativen Texten über Drogen, Selbstmord, Gewalt, Einsamkeit und Liebeskummer den Nerv der Jugend trifft, hat Kultstatus in Israel. Seine Generation hat er in dem Hit "Fucked up Generation" verewigt; seine Lieder sind emotionales Ventil für eine von Krieg, Tod und Terror geprägte Jugend. Die Menschen lieben oder hassen, verehren oder verpönen ihn. Kein anderer Musiker schreibt so radikale Texte gegen Politik und Armee, attackiert so ungeniert das Establishment, zeigt in Videoclips soziales Elend und gesellschaftliche Randgruppen.
Entgegen seinem ruppigen Image wirkt Aviv Geffen fast schüchtern, wie er an diesem warmen Morgen im Café Tam sitzt und über Israel, Musik, Familie und Freunde spricht. Seit er vor vier Jahren aus London nach Israel zurückkehrte, ist der Popstar gereift. Aviv hatte sich nach dem Mord an Ministerpräsident Yitzchak Rabin für ein Jahr nach London abgesetzt. Er war der Letzte, der bei der Friedensdemonstration im November 1995 den Premierminister zum Abschied küsste - wenige Minuten später wurde Rabin von einem jüdischen Fanatiker erschossen.

Hippie-Yuppie-Leben

Zu Avivs Wandel gehört auch der Umzug in den grünen Tel Aviver Vorort Tsahala, eine Wohlstandsoase an der nördlichen Peripherie der Metropole. Wieso gerade nach Tsahala, jener nach der israelischen Armee benannten und von vielen Offizieren und Generälen bewohnten Gemeinde? Für den Militärdienstverweigerer Aviv kein Widerspruch. "Ich führe ein Hippie- Yuppie-Leben", meint er und grinst. In einem schlichten Haus mit Garten lebt Aviv mit seiner Freundin Shani und dem Mischlingshund Bacchus. Die drei sind unzertrennlich, auch an diesem Morgen begleiten sie Aviv. Er brauche die Nähe zu seinen Liebsten, sie verleihe ihm Sicherheit, stärke ihm den Rücken. Auch seinen besten Freund, den Pianisten Daniel, hat er zum Interview mitgebracht.
"Wir leben in einer grossen Familie, die Musiker der Band sind meine engsten Freunde", erzählt Aviv und klopft Daniel auf den Rücken. "Wir sitzen jeden Abend bei mir im Garten, spielen Gitarre, machen Lagerfeuer - bis zum Morgengrauen."
Er sei eben ein überzeugter Romantiker, höre gerne französische Chansons von Leo Ferré. Am liebsten würde sich Aviv aber in die sechziger Jahre beamen, getrieben von einer nostalgischen Sehnsucht nach der Beatnik-Generation, einem Leben in der Kommune. Er sei "Flowerboy des Jahres 2001", ein Blumenkind mit Dornen und Stacheln. Wenn sich seine selbstgewählte Hippiefamilie abends auf dem Rasen trollt und aus den Boxen die dunkle Stimme von Leonard Cohen tönt, dann sei das Feeling vollkommen. In diesem Ambiente entstehen neue Texte, Melodien, Lieder. Sechs Instrumente hat sich der Autodidakt Geffen selbst beigebracht, mit sieben Jahren seinen ersten Song komponiert, bis heute eine halbe Million Alben verkauft, diverse Preise und Auszeichnungen erhalten. "Die Lieder kommen zu mir, ich laufe nicht mit Stift und Heft herum."

"Tiefsitzende Melancholie"

Nach langen Nächten steht Aviv erst mittags auf, trinkt den ersten Kaffee zu Hause, um dann mit seinem blauen Jeep ins Café Tam zu fahren - Treffpunkt der Tel Aviver Intellektuellen. Gleich um die Ecke wohnt Avivs Vater, der renommierte Liedermacher, Journalist und Schriftsteller Jonathan Geffen. Wenn dieser auf der Terrasse am Espresso nippt, dann nutzt Aviv die Gunst der Stunde und bittet Papa darum, ihm Platten aus London mitzubringen: Pink Floyd, Placebo, alte Prince-Scheiben - möglichst alles auf Vinyl. Die beiden lachen, rauchen, umarmen sich zum Abschied. Beide sind von kleiner, schlanker Statur, tragen Jeans und T- Shirt, haben jungenhafte Gesichtszüge, grüne Augen und ein verschmitztes Lächeln. Von Vater Jonathan, dessen Mutter Selbstmord beging, habe er viele ängste übernommen, diese "tiefsitzende Melancholie" und "Neigung zur Depression" sei wohl genetisch.
"Meine Familie ist mir sehr wichtig", meint Aviv, der mit Ex-Präsident Ezer Weizman und Moshe Dayan verwandt ist. Schmunzelnd erzählt er, wie Onkel Dayan ihn als Kind beschworen hat, er solle später einer Kampfeinheit beitreten.
"Ich habe seine Illusionen zerstört", lacht Aviv und streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Anders als viele Israeli definiert der Musiker seine Verbundenheit zum jüdischen Staat nicht aus militärischen Errungenschaften, sein Nationalstolz ist rein emotional bedingt.

"Krebs im Körper des Staates"

Die besetzten palästinensischen Gebiete seien "Krebs im Körper des Staates". Die Palästinenser sollten endlich ihren eigenen Staat bekommen, zuvor müssten jedoch alle jüdischen Siedlungen geräumt werden. Es sei an der Zeit, dem Individuum mehr Respekt zu zollen als einem Stück Land. "Ich will kein Eroberer sein, sondern einem Volk angehören, das sich um das Wohlergehen anderer sorgt." Kann man denn mit Arafat Frieden schliessen? Aviv seufzt. Ja, das sei schwierig, weil der Palästinenserführer "kein intelligenter Mann" ist, "keine Persönlichkeit wie einst der ägypter Sadat oder Jordaniens König Hussein". "Wir müssen Frieden aus Liebe schliessen, nicht aus Angst", erklärt er und knabbert am Daumennagel. Auch wenn er nicht im Militär gedient hat, sieht er sich als Soldaten, der mit Liedern anstatt mit der Waffe kämpft. Bei der letzten Wahl hat sich Geffen aktiv für den Kandidaten der linken Arbeiterpartei, Ehud Barak, eingesetzt. Der Sieg von Ariel Sharon war eine bittere Enttäuschung.
Aviv Geffen sieht sich als Anführer einer "neuen zionistischen Jugend":
"Wir tragen keine Uniform, sind keine Helden, dürfen schwach sein, sogar weinen." Er weiss genau, wie wichtig seine Lieder für viele junge Menschen sind; die Texte sind Legitimation, die Identität fernab gesellschaftlicher Normen zu formen. "Ja, ich liebe mein Land sehr", meint er und schnippt eine Camel aus der zerknautschten Zigarettenpackung. Wäre seine Heimat bloss nicht so klein. Um klaustrophobische Gefühle zu kompensieren, bricht Aviv regelmässig aus, fährt nach London, Zürich und Berlin. Spät abends im ausverkauften Tel Aviver "Zafta-Club" schwärmt Aviv vom letzten Auftritt in Berlin Mitte. Den internationalen Durchbruch erhofft sich der Künstler nun mit seinem neuen psychedelischen Album "Blackfield" in Zusammenarbeit mit dem britischen Musiker Steven Wilson von Porcupine Tree. Vielleicht kann er sich ja dann endlich den Traum erfüllen und mit seiner Band im Minibus durch Europa tingeln.

Zurzeit lieferbar: Aviv Geffen, The Letter (Universal).

Naomi Bubis

[Top]

Leipziger Volkszeitung 31.03.2001:


Besuch am Montag: Porcupine Tree schwelgen und schweben im Prog-Rock

Gemeinhin gilt das Genre des Prog-Rock als mausetot. Genesis laufen mit Phil-Collins-Ersatz Ray Wilson einstiger Hochform hinterher. Pink Floyd sind zerstritten. Und Marillion haben sich verzettelt und die Fans vergrault. Da tut es gut, wenn neue Avantgardisten auftauchen. Porcupine Tree, die am Montag in die Moritzbastei kommen, gehören dazu. Dabei hat das Debüt des Projekts um Ex-Marillion-Produzent Steve Wilson auch schon zehn Jahre auf dem Buckel. Die Geschichte der Band ist ein Trip zum eigenen Stil. Suchten ihn die Briten anfangs noch LSD-umnebelt in den unendlichen Weiten des Spacerock, erkor die BBC sie bald zu ihren Lieblingen und lud sie ein, ihre zunehmend strukturierte Psychedelic in einer der Radio One Sessions zu verewigen. Und spätestens 1996 bescheinigte ihnen das Q-Magazine: Sie haben die Macht. Inzwischen lauern europaweit in den Schreinstuben Fans der Yes-Jünger. Und so flossen allerorten Lobeshymnen aus den Federn, als im Vorjahr der neue Geniestreich "Lightbulb Sun" erschien. Für die aktuelle Deutschland-Tournee packte die Plattenfirma Snapper eine neue Nummer, einen Videoclip und ein älteres Stück auf eine zweite CD und brachte diese gemeinsam mit dem Original als Special-Edition auf den Markt. Deren geschmackvoll gestaltete Hülle enthält eine gleichermaßen komplexe wie wohl klingende Variation des zu Unrecht totgesagten Genres. Schon der raffinierte Titelsong mit seinen schwellenden Keyboards und dem harschen Gitarrenkonrast macht Appetit. Gar nicht genug bekommen kann man von Leckerbissen wie "Shesmovedon" und dem packenden "Hatesong". Von fern grüßen Barcley James Harvest und Supertramp, aber die Anklänge bleiben so dezent, daß kein böses Blut fließt. Selten hörte man eine so gelungene Kombination von lautem Schwelgen und leiser Leichtigkeit.

[Top]

ka-news 30.03.2001:

Treffen der anonymen "Proggies" (PT im Substage)

Karlsruhe - In regelmäßigem Abstand von wenigen Wochen findet in den Tiefen des Ettlinger-Tores ein Treffen mit "seltsamen" Gestalten statt. Sie alle verbindet aber einige Merkmale: Meist sind sie männlichen Geschlechts, mindestens mittleren Alters, ihre Kleidung verrät keinen speziellen Modetrend. Ihre große Passion ist Progressive Rockmusik, ein Wort, bei dem weniger ambitionierte Musikliebhaber zusammenzucken und Schweißausbrüche bekommen.

Bei den "Proggies" jedoch verursacht die Musik Momente höchster musikalischer Glückseligkeit und rhythmisches Klatschen voller atemberaubender Taktwechsel. Am heutigen Freitag ist es wieder soweit: Das Substage wird ab 20 Uhr zum Treffpunkt der Prog-Rocker. Der Referent in Sachen ambitionierter Rockmusik wird die englische Gruppe Porcupine Tree sein.

Die einzelnen Songs dauern teilweise bis zu 20 Minuten.

Porcupine Tree existieren schon seit Anfang der 90er Jahre, wurden aber erst mit ihrem 99er Album "Stupid Dreams" - bereits das fünfte der Bandgeschichte - einer größeren Öffentlichkeit ein Begriff. Nicht zuletzt schuld daran ist die Tatsache, dass erst ab diesem Album die Platten der Band um Mastermind Steve Wilson in Deutschland vertrieben werden. Auch ihr jüngstes Opus "Lightbulb Sun" (cmm) ist ganz regulär in den Plattenläden zu haben und muss nicht über obskure Mailorder-Wege bestellt werden. Diejenigen, die unter Prog-Rock grausame, endlos verschachtelte und vertrackte Lieder verstehen, die jenseits von Gut und Böse die 20 Minuten-Grenze sprengen, werden aber von Porcupine Tree enttäuscht.

Denn einzig der Song "Russia On Ice" knackt die zehn Minuten. Das restliche Songmaterial bewegt sich innerhalb angenehmer Dimensionen. Steve Wilson, der innerhalb der Band die musikalischen Zügel fest in der Hand hält, will eben nicht in die Prog-Ecke abgeschoben werden. Verständlich für einen Musiker eines Genres, das sich eigentlich vielen Stilen öffnet und viele Inspirationsquellen zulässt. Er spricht bezüglich seiner Musik lieber von "Sophisticated Rock".

Damenbesuch ist bei Prog-Rock ausdrücklich erwünscht!

Die Fachpresse reagierte äußerst angetan auf "Lightbulb Sun" von Porcupine Tree. Recht häufig fielen da die Wörter "Meisterwerk" und "reifes Album". Und der Adelsschlag für jede Prog-Band fehlte hier und da auch nicht. Der Sound wurde in punkto Atmosphäre mit den starken Momenten von Pink Floyd verglichen.

Grund genug also, am heutigen Freitag um 20 Uhr den Weg ins Substage nicht zu scheuen. Und vielleicht befolgt der ein oder andere Prog-Rocker die Bitte des Sängers der Flower Kings, die die Prog-Rock-Reihe im Substage vor wenigen Wochen eröffneten, und bringt seine Freundin mit. Karten gibt es an der Abendkasse und kosten 26 Mark. (rge)

[Top]

 Copyright © 2010 Uwe Häberle   Graphics used with kindly permission by Lasse Hoile