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Interviews
Studioreport mit Steven Wilson - Metal Hammer (04/2007):


Metal Hammer (04/2007)
Studioreport Metal Hammer (04/2007)
Erwartet das Unerwartete

Wie es sich für echte Künstler gehört, machen PORCUPINE TREE genau das, was man nicht von ihnen erwartet, denn FEAR OF A BLANK PLANET bietet einige dicke Überraschungen. Oder doch nicht, STEVEN WILSON?

Das Ende April in den Handel kommende Album ist ein Konzeptwerk, 50 Minuten lang und lediglich mit sechs Songs bestückt. Ich habe immer davon gesprochen, wie wichtig und einflussreich die Alben der frühen Siebziger waren. Das ging in den vergangenen Jahren verloren, seit MTV auf der Bildfläche erschien und die CDs auftauchten, bedauert Band-Boss Steven Wilson. DEADWING ist zwar eine tolle Scheibe, aber gerade die konventionellen Songs wie "Lazarus" oder "Shallow" entzogen ihr eine Menge Intensität. Sie sind nicht repräsentativ für Porcupine Tree – "Arriving Somewhere But Not Here" oder "Anesthetize" dagegen schon. Das bin ich.

Passend zur detailverliebten Gangart von FEAR OF A BLANK sind die Texte ausgefallen. Es ist erschreckend, in welcher Zeit die Kinder heutzutage aufwachsen, holt Steven aus. Natürlich hat der technische Fortschritt seine guten Seiten, aber junge Menschen, die erst mal ihre soziale Basis schaffen und die nach und nach ihre fürs Leben prägenden Erlebnisse machen müssen, werden viel zu schnell mit Informationen überflutet. Internet, MP3-Player, Playstations oder TV-Berichterstattungen wirken sich negativ auf die Entwicklung eines Kindes aus. Es führt zu kultureller und kommunikativer Leere.

Trotz der variablen Instrumentierung möchte Steven nicht hören, dass FEAR OF A BLANK PLANET komplex ist. Eher äußerst vielschichtig arrangiert, sagt er. Und es ist schwermütig und enthält kaum Passagen zur Erholung, wodurch sich eine enorme Dramatik ergibt. Was auch daran liegt, dass mit Robert Fripp von King Crimson sowie Alex Lifeson von Rush zwei beeindruckende Persönlichkeiten zu Gastauftritten überzeugt werden konnten. Wir verkaufen keine Millionen von CDs, aber wir können zahlreiche Musiker zu unseren Fans zählen. Im englischen Magazin Classic Rock schwärmte Alex in einem Interview von uns. Ich erhielt seine Kontaktdaten von dem Journalisten. Dagegen kennen wir Robert bereits seit Jahren. Er spielte ja auch schon in unserem Vorprogramm in Japan, den USA und Großbritannien. Er war sofort dabei.

In der Vergangenheit stieß etlichen Fans die Tatsache sauer auf, dass Porcupine Tree ihre Alben in diversen Formaten anboten und deshalb tief in die Tasche greifen mussten, um alles in der Sammlung stehen zu haben. FEAR OF A BLANK PLANET wird als normaler Silberling, als Special Edition in aufwändiger Verpackung und als Vinyl erscheinen – überall wird dieselbe Musik zu hören sein. Keine Bonus-Dinger oder ähnliches. FEAR OF A BLANK PLANET soll als kompaktes Stück Musik betrachtet werden. Jede Änderung würde den Gesamtkontext verwässern.


Die Songs von Fear Of A Blank Planet:


Fear Of A Blank Planet

Der Titel-Song startet mit deftigem, düsterem Riffing. Die leicht verfremdete Stimme in Verbindung mit der bedrückenden Atmosphäre schafft eine Stimmung, der man sich kaum entziehen kann. Der wunderbare Refrain sorgt für eine minimale Aufhellung der Stimmung, die sich aber beim extremen, fast schon deprimierenden Mittelteil wieder verdunkelt.

My Ashes

Die Akustikgitarren-Melodie klingt unheimlich. Spannung liegt in der Luft, denn bei jedem nächsten Ton ist ein explosiver Ausbruch zu erahnen. Ein experimentelles, episches Lied mit aufbrausendem, fast schon klassisch angehauchtem Chorus. Gänsehaut.

Anesthetize

Eine eigenwillige Melodielinie leitet eine 18-minütige Achterbahnfahrt ein, die beim erstmaligen Hören nicht greifbar sein kann. Beim doppelstimmigen Gesang erhält Steven Unterstützung von John Wesley, bis die Verstärker bis zum Anschlag aufgedreht werden. Im langen Instrumental-Teil folgen psychedelische und jazzig angehauchte Passagen, immens brutale Riffs sowie ein Solo mit orientalischer Schlagseite von Rush-Saitenzauberer Alex Lifeson – alles passend und fließend ineinander übergehend. Trotz der kniffligen Struktur und Instrumentierung groovt der Song über weite Strecken wie Hölle.

Sentimental

Der Titel spricht Bände und kann die Atmosphäre nicht besser beschreiben. Steven Wilson belegt, dass er als Sänger enorm dazugelernt hat – seine Stimme wird mit jedem Album ausdrucksstärker. Ähnlichkeiten zu Radiohead oder Coldplay sind nicht von der Hand zu weisen, wenngleich diese beiden sicherlich sehr geilen Bands der aufwühlenden Dynamik von Porcupine Tree nichts entgegenzusetzen haben. Ein wunderbares Stück mit Melodiebögen zum Heulen.

Way Out Of Here

Ein spannungsgeladener Beginn, an die Nieren gehende technische Spielereien wabern bedrohlich im Hintergrund. Dafür verantwortlich ist Porcupine-Tree-Verehrer Robert Fripp, der legendäre Chef von King Crimson. Ein entzückender, verzaubernder Refrain erklingt, danach ein melodisches Solo. Doch ohne Vorwarnung wird man erbarmungslos von metallischen Nackenbrecher-Gitarren aus den Träumen gerissen.

Sleep Together

Ein rhythmischer Song, unterlegt mit morbiden Effekten, die sich durch die gesamte Lauflänge ziehen. Im weiteren Verlauf nimmt das Stück immer orchestralere, bombastischere Züge an und hinterlässt begeisterte Hörer, platt vor Ergriffenheit, kaum fassend, was sich die letzten 50 Minuten abgespielt hat – und voller Vorfreude auf den nächsten Durchlauf.

Detlef Dengler
Metal Hammer (04/2007)

Metal Hammer (04/2007)
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