CD-Kritiken zu "Fear Of A Blank Planet":
Eclipsed Nr. 92 (05/2007):
Porcupine Trees neues Album "Fear Of A Blank Planet" ist ein großer Wurf. Ein großer, kein ganz
großer. Was ihm zu einem wirklichen Meilenstein fehlt? Gewiss die herausragenden Songs, wie sie noch die Band-Großtat
"In Absentia" zuhauf auszeichneten. Genauso wie die minutenlang gleitenden Passagen mit ihren
hypnotischen Bassläufen, zu hören in den Klassikern "Moonloop" und "Up The Downstair". Beides
konnte es allerdings nicht geben, zum einen möchte Steven Wilson sich nicht wiederholen, zum anderen will er das neue
Album als Gesamtwerk verstanden wissen. Als eine Einheit, in der es keine einzelnen Tracks mehr gibt.
Dennoch: Die Band leugnet ihre Vergangenheit nicht, sogar noch weniger als auf den Vorgängeralben. Das elegische, von
Richard Barbieris
Keyboards getragene "My Ashes" schwelgt in derselben Atmosphäre wie einst "The Moon Touches Your Shoulder"
oder "Stars Die". Den Refrain des zweiten ruhigen Stücks, "Sentimental", könnte sich Wilson von
seinem Blackfield-Partner Aviv Geffen abgeschaut haben. Der Alternative Rock, wie ihn die erste Hälfte des Titelstücks
bietet, wird einem Artrock-Fan wegen der forschen Art wohl bitter aufstoßen, und doch ist gerade hier die Gitarrenarbeit
famos. Das zerrissene "Way Out Of Here" mit seinem tollen Gitarrensolo könnte sich so auch auf einem der
besseren Marillion-Alben der Hogarth-Ära wiederfinden. Was Porcupine Tree aber im 21. Jahrhundert vor allen anderen
Bands auszeichnet, zeigt das knapp 18-minütige "Anesthetize": Dieser Track durchpflügt Himmel
und Hölle. Der Anfang mit seinem sanften, hypnotischen Schlagzeug ist die Ruhe vor den Sturm, der im Mittelteil
losbricht: treibende Rhythmen, Gitarren, die – nur für 30 Sekunden metallisch hart – den Gesang mit überraschenden
Stereo-Effekten flankieren, grummelnde Bässe und elegante Pianoklänge, die an Floyds "Sheep" erinnern.
Danach Ruhe: über fünf Minuten ätherisches Schweben mit Satzgesang, schleppenden Drums, Piano, Orgel und Mellotron.
Der feuchte Traum eines jeden Fans der ersten Stunde. Das finale "Sleep Together" ist ein wuchtiger Keyboard-Track,
Triprock, der wegbläst. Ein Song bei dem sich Barbieri wie noch nie bei Porcupine Tree austoben darf. "Fear Of A
Blank Planet" wird es in unserer schnelllebigen Zeit schwer haben, als Gesamtwerk die Spannung von Anfang bis Ende zu
halten. Aber es bietet unzählige, wirklich wunderbare Momente.
Stimmen zur Platte:
Ist die Welt wirklich so sinnentleert, wie es Steven Wilson beschreibt, ja anklagt? In der Tat hat die junge Generation anno
2007 ein großes Problem: mit der eigenen Identität. Ob Porcupine Tree mit Fear Of A Blank Planet die Jugend für sich wird
gewinnen können, darf bezweifelt werden. Zu unvermittelt brechen die Härten in die (überlangen) Songs, zu kalt
klirren die Keyboards. Auch die zu sehr auf technische Perfektion ausgerichtete Produktion steht einer großen emotionalen
Bindung zu diesem Album entgegen. Dennoch gibt es einige großartige Passagen: sei es der Schlussteil des Titelstücks,
weite Teile des Longtracks Anesthetize oder im vielleicht besten Track des Albums Way Out Of Here. Das live noch voll
überzeugende Sentimental kann dem Vergleich mit In Absentia (oder mit Blackfield-Großtaten) nicht ganz standhalten,
Sleep Together pendelt zwischen Genie und Wahnsinn. PT als Industrial- oder (Alternative-) Metal Band? Ihre Einzigartigkeit
liegt anderswo.
Back to the psychedelic roots? Geht das neue Album nicht ganz, aber neben der Homogenität der Platte sind die alten spacigen
Farben dennoch höchst willkommen. Wer die letzten beiden Alben nicht so mochte, wird sich freuen. Und wer die härtere
Gangart bevorzugt, wird trotzdem nicht enttäuscht. Ein versöhnliches Übergangsalbum. Quo vadis PT?
Progressive Newsletter Nr. 59 (05/2007):
Ein Album der neuen Wege bzw. der musikalischen Rückkehr. So könnte man "Fear of a blank planet" (in
Anlehnung an das Public Enemy Album "Fear of a black planet") grob umschreiben. Bevor man ins Studio ging, spielten
Porcupine Tree auf der letzten Tour das komplette(!) Album, ohne dass ein Zuschauer zuvor eine Note gehört hatte. Ein
Wagnis, das sich auszahlte, denn noch nie zuvor, war man so schnell beim Finetuning und bei der Arbeit im Studio, werkelte
man zudem über so lange Zeit als Band gemeinsam zusammen. Weiterhin wurde auch noch gleich ein Track gekickt, da er
einfach nicht im Zusammenhang der restlichen Titel funktionierte und auch beim Publikum nicht ankam.
Dass man zudem mit Roadrunner einen neuen Partner in Europa hat, passt ebenfalls ins Bild, auch wenn Porcupine Tree mit
ihrer konzeptionellen Kritik an der heutigen Medienlandschaft weit weniger aggressiv und heavy vorgehen, wie noch beim
Vorgänger "Deadwing". A propos "Deadwing": während man bei diesem Album viel mit
unterschiedlichen Stilarten agierte, aber ebenso einige Songs regelrecht als austauschbare Massenware versenkte, wirkt
"Fear of a blank planet" wesentlich geschlossener und in sich stimmiger, erinnert vielmehr an die Mid-90er Phase
der Band. Zwar haut man einige Male heftiger in die Saiten, doch keinesfalls zu intensiv und zu brachial, sondern logisch in
den Songablauf eingepasst.
Nachdem Steven Wilson mit Blackfield augenscheinlich sein Ventil für seine poppige Seite gefunden hat, geht es nun wieder
weitaus ausschweifender und atmosphärischer zur Sache. So gipfelt das Album im definitiven Highlight "Anesthetize",
welches in mehr als 17 Minuten unterschiedliche Stimmungen und Tempowechsel in sich vereint. Doch zieht man den unfairen Vergleich
zum Longtrack von "Deadwing", so hat "Arriving somewhere..." doch noch etwas die Nase vor.
Und schon wären wir beim unterschwelligen Problem dieses Albums, denn selbst nach mehreren Durchläufen fehlt irgendwie
der ganz geniale Funke, die komplett mitreißenden Facetten und Details. Nicht, dass Steven Wilson keine Songs mehr schreiben
kann bzw. ihm es nicht gelingt, auch längere Strukturen mit Inhalt zu füllen, doch irgendwie wirkt "Fear of a blank
planet" verhalten, nicht energetisch genug, ohne die ganz tiefgreifende Emotionalität, die man ansonsten immer wieder bei
Porcupine Tree findet. Da passt es irgendwie ins Bild, dass selbst die Gastauftritte weit weniger ins Gewicht fallen, sondern mehr
durch ihre Namen beeindrucken. So sind sowohl Robert Fripps Soundscapes nur sehr verhalten zu vernehmen und auch das Solo von Alex
Lifeson (Rush) fällt keinesfalls besonders aus dem Rahmen.
Wirkte "Deadwing" insgesamt wie ein noch unentschlossenes Album aus einer stilistischen Zwischenpause bei der Suche
nach neuen Wegen, so haben sich Porcupine Tree auf "Fear of a blank planet" grundlegend für eine stimmige
Atmosphäre und mehr innerlichen Zusammenhalt entschieden. Dies tut der Musik eindeutig gut, auch wenn man nicht an die
Großtaten der Vergangenheit heranreicht. Das klingt jetzt vielleicht negativer als dieses Album wirklich ist, aber
letztendlich hat man bei Porcupine Tree eben eine besondere Erwartungshaltung. Dies mal außen vor: ein richtig gutes
Album ist "Fear of a blank planet" zweifelsohne.
Rock Hard Nr. 240 (05/2007):
Mehr ist mehr. Mehr Härte, mehr Ruhe, mehr Sphäre, mehr Noise, mehr Melodien, mehr Keyboards als zuletzt - Steven
Wilson ist sehr stolz auf "Fear Of A Blank Planet", und das kann er auch sein. Das neue Album lotet sämtliche
Extreme des PORCUPINE TREE-Kosmos aus und geht sogar noch weiter. Sieben-Minuten-Progger wie der Titelsong (was für
ein Refrain, was für Gitarren!), "Way Out Of Here" und "Sleep Together" werden abgerundet von
Balladeskem: "My Ashes" ist pures Pathos, mehr wird sich ein Visionär wie Wilson in dieser Richtung nicht
trauen. Ein Song, der auch auf Marillions "Brave" stehen könnte. Dagegen atmet der andere Ruhepol,
"Sentimental", Psychedelik, Sounds und sich zu erarbeitende Schichten - zum Heulen großartig. Das
Herzstück der Platte ist aber - nicht nur aufgrund seiner fast 18 Minuten - "Anesthetize". Pink Floyd
treffen auf Dream Theater, Monster Magnet auf Coldplay, Mastodon auf King Crimson, Rush auf Muse, Fates Warning auf
The Mars Volta, Sigur Rós auf Converge. Ach was: Das Ding ist einfach die Essenz von PORCUPINE TREE - und nix
anderes. Das Meisterstück von Wilson, famos bis zum Gehtnichtmehr, ein Statement des New-Artrock-Protagonisten, der
mittlerweile völlig zu Recht Heerscharen von Musikern beeinflusst und auch textlich mit seiner Gesellschaftskritik -
es geht um die innere Leere, die unsere Art zu leben hinterlässt - große Fragen aufwirft: ein wildes
Sammelsurium aus Geschriebenem von Bret Easton Ellis, Chuck Palahniuk oder Jonathan Franzen und Gefilmtem von Gaspar Noé,
Chan-wook Park oder Larry Clark.
Was soll dieses Jahr eigentlich noch kommen?
Metal Hammer Mai 2007:
Besser hätte es nicht kommen können: Porcupine Tree besinnen sich, nach dem schwachen DEADWING-Album, wieder auf
ihre Stärken. Vielleicht war das Vorgängerwerk einfach ein Versuch aus dem gängigen Schema auszubrechen –
offensichtlich nicht immer die beste Wahl. Das Resultat sind Songs, die den Hörer mitnehmen. Vor allem der neue Hit
"Sentimental" fordert auf, sich im Fluss der schwermütigen Musik treiben zu lassen. Der Song erinnert an
"The Sound Of Muzak", mit seiner durchaus positiven Ausstrahlung. Überhaupt perlt aus allen Noten in
gewisser Weise die Essenz von Lennons und McCartneys "Eleanor Rigby": eben melancholische und doch hoffnungsvolle
Liedstrukturen und -melodien. Steven Wilson beschränkt sich indes nicht auf einfach poppige Arrangements. Das
wäre zu einfach für einen Musiker dieses Kalibers. Im 18-minütigen Meisterwerk "Anesthetize"
beweist er, dass es innerhalb eines Liedes durchaus möglich ist Prog, Pop, 70er Rock und Extrem-Metal-Ausbrüche
zu vereinen. Wilson schafft zudem die Königsdisziplin: "Anesthetize" wirkt weder aufgesetzt, noch
konstruiert. Bemerkenswert! All dies und natürlich die Tatsache, es gibt keinen Ausfall auf dem neuen Album, machen
die »Eins mit Sternchen« unumgänglich. Porcupine Tree haben ihrer neuen Plattenfirma Roadrunner mit
FEAR OF A BLANK PLANET ein großes Geschenk gemacht: Das beste Album der Bandkarriere!
Guitar Nr. 84 (05/2007):
Steven Wilson kennt keinen Stillstand. Die letzten Porcupine Tree-Alben waren allesamt innovative, hochspannende Klangreisen
durch farbenprächtige Paralleluniversen, die die Band in immer größere Konzerthallen katapultierten, doch der
britische Visionär ruht sich nicht auf den Lorbeeren aus, sondern entwickelt seinen Sound konsequent weiter. Auf
"Fear Of A Blank Planet" präsentiert er die härtesten Riffs und beklemmendsten Arrangements seiner
Karriere, ohne dabei allerdings jenes warme, erdige Flair abzustreifen, das jede seiner CDs wie ein roter Faden durchzieht.
Die Melodien machen süchtig, die Grooves hypnotisieren, die Akkordfolgen schütteln die Seele durch - hier geraten
Pink-Floyd-Verehrer genauso leicht ins melancholische Träumen wie Opeth- oder Tool-Fans.