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CD-Kritiken zu "Lightbulb Sun":


Eclipsed Nr. 34 (02/2001) - Tour Edition:

Eclipsed Nr. 34 (02/2001)Worte über PT's "Lightbulb Sun" zu verlieren, erübrigt sich an dieser Stelle, ist es doch eines der Überalben des vergangenen Jahres, obwohl es sträflichst mit Nichtachtung bestraft wurde. Damit es auch der Letzte mitbekommt und sich grämt, daß ihm so etwas bisher entgangen ist, erscheint pünktlich zur Deutschlandtour von PORCUPINE TREE vorliegende 'Special Edition' welche neben dem eigentlichen Album (das schon durch Tracks wie "Shesmovedon", "Last Chance...", "Where We Would Be" sowie dem 13-minütigen "Russia On Ice" definitiv in jede anspruchsvolle Musiksammlung gehört, den Begriff 'progressive' verkneifen wir uns wohlwissend an dieser Stelle) mit einer Bonus-CD aufwarten kann. Diese enthält neben "Pure Narcotic" vom Vorgängeralbum "Stupid Dream" sowie einer Live-Version von "Tinto Brass" mit "Buying New Soul" eine Hörprobe vom in Bälde zu erwartenden neuen Album "Recordings". Wenn diese Platte hält, was die Vorabauskopplung verspricht, können wir uns auf ein weiteres ultimatives Highlight in diesem Jahr freuen. Ein angefügter Enhanced-Teil beinhaltet weiterhin den Videoclip "Piano Lessons" sowie Discography und Image Gallery. Hat es jetzt endlich auch der Letzte begriffen?!

Carsten Agthe
Eclipsed Nr. 34 (02/2001)
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Eclipsed Nr. 32 (04/2000):


Mehr als nur eine Glühbirne

Eclipsed Nr. 32 (04/2000)Warum hat im letzten Eclipsed eigentlich niemand etwas zu dem im Juni veröffentlichten neuen Porcupine Tree-Album "Lightbulb Sun" gesagt ? Vielleicht weil Porcupine Tree mittlerweile bei uns allen auf Platz 2 (hinter Pink Floyd) in der "ewigen Besten-Liste" steht und sich sowieso jeder das Album gekauft hat ? Dann wäre alles in Ordnung. Zumindest in der Eclipsed-Mailing-Liste (Wer noch nicht angemeldet ist, holt dies sofort nach ! Das ist ein Befehl. Beschreibung dazu im letzten Eclipsed Nr. 31) sind Porcupine Tree Gesprächsthema Nr. 1 und niemand wagt es zuzugeben, dass er sich "Lightbulb sun" noch nicht zugelegt hat. Falls es aber trotz unzähliger Artikel im Eclipsed immer noch Leser gibt, die Porcupine Tree nicht kennen, kommt nun ein weiterer Überzeugungsversuch in Form einer überschwänglichen Kritik. Also Vorsicht: Der Autor dieser Zeilen ist gerade wie hypnotisiert und alles andere als unvoreingenommen.

Es beginnt mit den Titelsong "Lightbulb sun", einer Mitemponummer, die mit wenig Akustik-Gitarre anfängt. Steven Wilson's Stimme klingt kraftvoller (und das auf dem ganzen Album) als auf sämtlichen vorherigen Platten. Der Song steigert sich und beinhaltet ein sehr einprägsames Gitarrenriff. Thematisch geht es um eine in Wilson's Kindheit erlittene Krankheit, während der er in seinem abgedunkelten Zimmer als einziges Licht nur eine Glühbirne hatte, "Lightbulb sun" eben. Es geht um den Wunsch, dieser Situation so schnell wie möglich zu entfliehen, aber auch um die Gewissheit, dass es einer Tages so weit sein wird: "My heads beats a better way, tomorrow a better day" singt Wilson. Dieser Satz steht auch für Porcupine Tree als Band selbst. Trotz aller musikalischen Genialität, die diese Band in nunmehr sieben offiziellen Alben und unzähligen weiteren limitierten Veröffentlichungen (Keine Sorge: In einem der nächsten Eclipsed-Magazine wird es eine ausführliche Aufstellung und Beschreibung dieser Raritäten geben !) immer wieder unter Beweis stellt, bleibt jeglicher kommerzieller Erfolg aus.

Überhaupt haben sich Wilson's Texte deutlich weiter entwickelt. Waren es zu Anfang psychedelische Träumereien oder dienten sie lediglich zur Untermalung der Musik, so sind auf dem neuen Album die Reflexionen aus der Kindheit, das Bewältigen der Vergangenheit und das Lernen aus den eigenen Fehlern das Hauptthema. Wilson entpuppt sich dabei als genauer Beobachter der eigenen Psyche. Eine weitere Zeile des Titelliedes lässt jeden an die eigene Kindheit erinnern: "And I'll only take medicine if it's followed by sweets". Zyniker mögen jetzt behaupten, dass die musikalische Qualität des Albums wohl zu kurz gekommen sein muss, wenn die Texte so gelobt werden. Nein, die Band hat es eher verstanden der Musik eine neue Dimension hinzuzufügen, und zwar die lyrische.

Drei Lieder des Albums fallen beim ersten Hören in die Kategorie "Uups, das hätten sie sich auch sparen können". Doch der erste Eindruck täuscht, so auch beim zweiten Lied "How is your life today". Es besticht durch einen schönen Harmonie- und Kanongesang zwischen Wilson und Drummer Chris Maitland. Die spärliche Instrumentierung (ein hämmerndes Klavier und ein wenig Gitarre) unterstreichen die wundervollen Melodien. "How is your life today" ist sicher ein für Porcupine Tree völlig untypisches Lied, zeigt aber deutlich die musikalische Vielfalt und Weiterentwicklung der Band.

Das dritte Lied "4 Chords that made a million" ist die erste Single-Auskopplung und beginnt ruhig mit orientalischen Klängen, um dann fast in eine Mainstream-Nummer überzugehen. Aber eben nur fast, denn die Produktion ist voller kleiner Details, die die Band auch schon auf den älteren Alben auszeichneten. Aber eben darum erwies sich diese Single trotz der eingängigen Melodie auch nicht als chart-tauglich. Inhaltlich ist "4 Chords" eine ätzende Kritik an der Beatles-Cover-Band "Oasis", die mit vier Akkorden Millionen verdient. Die Zeile "Hide behind a wall of nothing, nothing said and nothing new" sagt alles und lässt auf etwas Frust und vielleicht auch auf Neid bei Wilson schließen. Bleibt noch zu erwähnen, dass die Single in drei verschiedenen Formaten (Vinyl-Single, CD-Single, limitierte CD-Single) veröffentlicht wurde, mit einer auf der limitierten Single erschienenen, 16-minütigen Demo-Version von "Even less" (dem schönsten Lied der 99-Scheibe "Stupid Dream"). Hätten Porcupine Tree diese Version komplett ausgearbeitet auf die "Stupid Dream" genommen (und nicht nur die auf sieben Minuten gekürzte Fassung), so wäre es das Gegenstück zu Pink Floyd's "Echoes".

Mit dem vierten Lied "Shesmovedon" kommt nicht nur die zweite Single-Auskopplung sondern auch der erste Überhammer des Albums daher. Eine subtil gezupfte Gitarre mit einem wunderschön dazu passenden Gesang, nicht zu eingängig, Schlagzeug, Bass und Keyboards halten sich dezent im Hintergrund, aber immer mit der Spannung, dass das Lied urplötzlich richtig losgehen könnte. Und das tut es denn auch mit dem schmerzlich melancholisch gesungenen Refrain. Und wenn dann in den letzten zwei Minuten dieses fünfminütigen Liedes Wilson's Gitarren-Solo ertönt, wird selbst ein David Gilmour blass vor Neid. Traumhaft, mal glasklar, dann wieder kratzig, eben nicht nur ein Gitarren-Solo, sondern die Verlängerung, die Erweiterung der zuvor ausgedrückten Emotionen. Also ein Gitarren-Solo, wie wir alle es auch mal wieder vom guten, alten Dave hören möchten.

Es folgt "Last chance to evacuate planet earth before it is recycled", das in sich widersprüchlichste Lied des Album. Es beginnt als Erinnerung an eine Jugendliebe ("It's just you and me alone, not grown ups but not kids, you kissed me on the lips"), die ohne Reue oder Schmerz vorgetragen wird und sich plötzlich ändert, scheinbar ohne jeden Zusammenhang erscheint eine ambiente Soundlandschaft, wie man sie von älteren Porcupine Tree-Scheiben kennt. Nicht Wilson's Gitarre sondern Richard Barbieri's Keyboards stehen im Vordergrund. Allerlei weitere Instrumente (Banjo, Harfe) und Soundsamples sind zu hören. Eine Stimme ("We came from distant space ...") verkündet dem staunenden Hörer, dass dies die "last chance to evacuate planet earth before it is recycled" sei. Assoziationen zu Douglas Adams' Trilogie "Per Anhalter durch die Galaxis" seien aber nicht beabsichtigt, sagte Wilson mal in einem Interview. Dennoch klingt es sehr danach. Sei's drum.

Das zweite Lied der "Was soll das denn ?"-Kategorie ist "the rest will flow" (die dritte Single-Auskopplung), doch auch hier geschah diese Einordnung zu unrecht: An den üblichen Instrumenten (Gitarre, Bass, Drums, Keys) mag nicht viel dran sein, doch musikalisch lebt dieses Lied von den von XTC-Mann Dave Gregory arrangierten Streichern und der wunderschönen Melodie. Das Lied klingt unbeschwert, zuversichtlich, geradezu fröhlich, was wieder sehr ungewöhnlich für Porcupine Tree ist. Doch dies passt genau zum Text: Ein Bekenntnis zum Leben an sich. Manches mag schief gehen, aber im Großen und Ganzen läuft es doch gut: "One simple thing that I never could see, but now I know, all of the rest will flow". Dieses doch rosarote Sehen der Umwelt durch die (oder eine gerade neu gefundene) Liebe entstehen: "Stay with me my angel, I found you, now I don't feel low, all of the rest will flow".

Als siebtes kommt das acht-minütige "Hatesong" und endlich sind sie da, die Töne aus dem bundlosen Bass von Colin Edwin, die das ganze Lied bestimmen. Mit solchen Soundcollagen betörten uns Porcupine Tree auch schon in alten Songs wie "Up the downstair", "Moonloop" oder "Slave called shiver". "Hatesong" ist eine einzige instrumentale Orgie (mit nur wenig Text), in der sich alle vier Musiker austoben können, voller Power und ungewöhnlicher Arrangements.

"Where we would be" beschreibt wehmütig die Erinnerung an eine vergangene Liebe, mit all den damaligen Hoffnungen und Träumen, die sich natürlich nicht (alle) verwirklichen ließen. Wie schön hätte das unbeschwerte Leben sein können. "Where we would be when the future comes, and how you would paint while I wrote my songs" singt Wilson gibt damit eine wundervolle, poetische, aber gleichzeitig auch wörtlich gemeinte Liebeserklärung ab. Doch er erkannt, dass das Leben nicht so einfach ist und so endet das Lied mit der Zeile "Strange how you never become the person you see when you're young" und Gitarren-Solo, das mal zuckersüß zu diesem verträumten Lied passt, dann aber ein paar schiefe, ja fast störende Töne bietet. Doch stören diese Töne wirklich ? Oder sind sie nur die genaue Umsetzung des Textes ? Schade nur, dass der Bass bei "Where we would be" nicht ähnlich laut abgemischt wurde wie bei 1999-Live-Aufführungen dieses Liedes. Damals gaben langgezogene, wabbernde Bassläufe neben den Bongos des Rhythmus an, was sehr faszinierend klang.

Und damit sind wir bei Lied Nr. 9: "Russia on ice", dem 13.minütigen feuchten Traum eines jeden Artrock-, Spacerock- und Psychedelic-Fans. Es beginnt mit einer Hommage an den Anfang von Floyd's "Sheep", doch schnel wird die Stimmung bedrohlich: Das alles überragende und alles bestimmende Gitarrenriff (zum Mitsummen: "Da dimm dimm damm") kommt erst leise, dann immer lauter. Wilson singt davon, wie er einfach aus Bequemlichkeit sein Leben ruiniert. Er sieht, wie es abwärts geht, doch die Cocktails ("Russia on ice") haben ihn angenehm betäubt ("Comfortably numb" um es für alle verständlich auszudrücken). Zeilen wie "Can't Stopp myself drinking, can't Stopp being me" oder auch "I see the whole thing come down, I blow it to the ground" sprechen eine deutliche Sprache. Nachdem alles gesagt ist, üben sich Porcupine Tree in einem instrumentalen Gewitter, das seinesgleichen sucht. Es ist der Ausbruch aller Emotionen: Verzweiflung, Hass auf sich selbst, aber auch die Entschlossenheit, etwas zu ändern. Ich hatte das große Glück, beim Burg Herzberg-Festival im Juli zum zweiten Mal (nach 1999) eine Live-Aufführung von "Russia on ice" mitzuerleben. Wie ein Orkan fegte dieser Instrumentalteil durch die Gehirne aller Zuschauer, mit einer unglaublichen Intensität. Tagelang habe ich die Melodien nicht aus meinem Kopf bekommen.

Nach diesem Lied kann es keine Seigerung mehr auf "Lightbulb sun" geben und so fällt das letzte Lied "Feel so low" musikalisch deutlich ab. Aber nur musikalisch: Wilson vollführt textlich einen wahren Seelen-Striptease und offenbart in nur wenigen Worten sein Leiden in einer nicht erfüllten Liebe: Die Augenblicke, wenn Erwartungen zu Hoffnungen werden und diese dann auch noch vergebens sind. Und Hoffnungen sterben bekanntlich zuletzt. Genau daher rührt die Intensität von "Feel so low".

Wie lauten noch die ersten Worte auf diesem Album ? "The sun is a lightbulb !" Nein, diese Sonne ist mehr als nur ein Glühbirne, sondern einer der hellsten Sterne am Firmament. Nehmen wir eine der üblichen Bewertungen aus einer Musikzeitschrift: 0 Punkte (oder Sterne, was Ihr wollt) bedeuten: Die CD taugt nicht mal zum Frisbee-Spielen. 6 Punkte (oder Sterne, je nachdem) bedeuten: Genial. Dann bekommt "Lightbulb sun" 7 Punkte, mindestens.

Bernd Sievers
Eclipsed Nr. 32 (04/2000)
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Progressive Newsletter Nr. 31 (07/2000):

Progressive Newsletter Nr.31 (07/2000)Da sind sie inzwischen bei einem größeren Label gelandet, veröffentlichen eine Single nach der anderen - alleine vom letzten Werk "Stupid dream" wurden drei Singles ausgekoppelt - doch die Medien ignorieren sie weiterhin unbeeindruckt. Doch genauso unbeeindruckt gehen Porcupine Tree konsequent weiterhin ihren eigenen Weg. Auch das mittlerweile sechste Studioalbum "Lightbulb sun" hat wieder alles, was gute, intelligent gemachte Rockmusik auszeichnet: griffe Melodien, ausufernde Instrumentalteile, aber ebenso genau auf den Punkt gebrachte Ideen, denen auch mal nur der Rahmen von drei Minuten ausreicht. Im Gegensatz zu "Stupid dream" sind Porcupine Tree aber dennoch wieder eine Spur experimentierfreudiger geworden. Das Album klingt zudem rockiger, aber auch sphärischer, etwas trauriger. Die Songauswahl auf "Lightbulb sun" zeigt die ganze Bandbreite der britischen Band um Gitarrist, Sänger, Songschreiber, Produzent und was-weiss-ich-noch Steven Wilson. Da gibt es mit dem knapp über drei Minuten langen "The rest will flow" einen auf den ersten Blick recht simplen Song, den aber genauso das kleine klassische Orchester, sowie das prägnante Arrangement aufpeppt. Gute Rocknummern mit Space Rock Einflüssen und in ausgeklügeltes Zusammenspiel verpackt, wie der Titelsong oder "Four chords that made a million" - der Text zu diesem Song klingt wie eine Abrechnung mit Fish, den ja Steve Wilson auch schon produziert hat - geben dem Album Bodenhaftung. Doch Porcupine Tree laufen vor allem dann zu Hochform auf, wenn es Platz in den Songs gibt und der Chronometer meist jenseits der fünf Minuten tickt. Verdammt gute Gitarrensoli, die je Stimmung weinen, jaulen oder euphorisch singen und brillant verwobene Keyboardarbeit von ex-Japan Keyboarder Richard Barbieri, dazu noch die perfekte Rhythmusarbeit von Schlagzeuger Chris Maitland und Bassist Edwin Collins, das Zusammenspiel passt und die Songs haben genug Gehalt, dass sie den Test der Zeit bestehen werden. "Shesmovedon" oder "Hatesong" könnte einer der zukünftigen Klassiker der Briten werden, das über dreizehnminütige "Russia on ice" hat sich bereits auf der letzten Tour bewährt und ist auch auf den besten Weg dorthin. Doch hat die Band auch immer wieder einige Überraschungen parat, die ihrer Musik einen facettenreichen Aspekt verleihen. Das traurige, melancholische "How is your life today?" wirkt mit verfremdeter Stimme und vielen Effekten mehr wie ein Song aus der Frühphase der Band, als es noch ein reines Soloprojekt von Steven Wilson war. Oder das wunderschön verträumte, das Album abschließende "Feel so low", welches einem fast die Tränen in die Augen treibt. Es wäre Porcupine Tree zu gönnen, dass sie endlich den richtigen Durchbruch auch in größerer Weise erreichen würden. Doch wer glaubt schon an so etwas wie Gerechtigkeit in der heutigen, konsumorientierten, wenig auf musikalischen Gehalt bedachten Musikbranche. Egal, "Lightbulb sun" ist dennoch ein verdammt gutes Album, was auch ohne kommerziellen Erfolg die volle Aufmerksamkeit verdient.

Kristian Selm
Progressive Newsletter Nr. 31 (07/2000)
© Progressive Newsletter 2000
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Empire Nr. 54 (3/2000):

Empire Nr. 54 (3/2000)Lange Zeit galten Porcupine Tree als Geheimtip für gelangweilte Pink Floyd-Fans, inzwischen haben sie sich eine eigene, eingeschworene Anhängergemeinde erobert, die nun auch in schöner Regelmäßigkeit mit neuen Alben beglückt wird. Das aktuelle Werk 'Lightbulb Sun' schlägt mit völliger Einzigartigkeit zu Buche und darf mit Fug und Recht als das ausgereifteste Album der Mannen um Steve Wilson bezeichnet werden. Auffallend ist, daß die Stücke kürzer gehalten sind als auf den älteren Alben - eine Tendenz, die u.a. schon auf 'Stupid Dream' zu bemerken war und sich absolut positiv auf den Sound von Porcupine Tree auswirkt. Überflüssige Langatmigkeit wird man vergebens suchen - jedes Stück ist genau jede Sekunde wert. Chef Steve Wilson interessiert sich laut eigener Aussage heute mehr als je zuvor für die technische Seite der Musik und hat etwas geschafft, was vielen anderen Prog-Bands fehlt: Seine Stücke besitzen echte Hooklines! Keine profanen Tralala-Tonfolgen, sondern Melodien edelster Erhabenheit. Dem abwechselnd filigranen und kraftvollen Titelstück folgt ein kurzes Pianostück, das in seiner Zerbrechlichkeit ein perfekter Wegbereiter für das kurze, kernige 'Four Chords That Made A Million' ist. Der als Single ausgekoppelte Song macht die Stärken von Porcupine Tree besonders deutlich. Hier wird nichts aus dem bewährten Prog-Zutaten-Suppentopf einmal mehr verrührt! Hier wird demonstriert wie anspruchsvolle progressive Musik klingen kann, ohne Klischees zu strapazieren: Herrliche Gitarrenmelodien werden kombiniert mit orientalischen Klängen und Percussion, die an Peter Gabriel erinnert. Dazu gibt es feine Breaks, die nicht, wie bei manch anderer 'progressiven' Band, die Atmosphäre zerstören, sondern diese aufbauen. Breaks nicht um der sog. Progressivität, sondern um des Stückes Willen. 'Shesmovedon' - nicht nur einfach eine Ballade. sondern ein Song mit hohem Wiedererkennungswert, nahezu unvergleichlicher Intensität und erneut einem Hook, der Hitgarantie bieten würde - wären die Zeiten nur nicht so erbärmlich schlecht. Dezent werden immer wieder Effekte wie verzerrte Vocals eingesetzt, dazu wird man mit einer erstklassigen Produktion verwöhnt, die ein derart transparentes Klangbild erzeugt, daß auch alle Detailfreaks auf ihre Kosten kommen. Erstaunlich ist auch der massive Einsatz akustischer Gitarren, wohingegen die Analog-Keyboards wie Orgel oder Mellotron schon zum Standardrepertoire gehören und perfekt in den Sound eingebettet sind. Spätestens durch die ruhigen Songs 'Last Chance...' und 'The Rest Will Flow', die sich nahtlos in das Gesamtbild dieses Albums einfügen, wird deutlich: Die Stärke von Porcupine Tree liegt nicht darin, Hochgeschwindigkeitssongs zu schreiben. Hier wird auf Atmosphäre gesetzt. Obwohl sich Steve Wilson immer wieder dagegen wehrt in die Prog-Schublade gesteckt zu werden, dürfte 'Hatesong' jedoch mit jeder einzelnen Note voll in diese Kerbe schlagen: erneut ein sagenhaftes Wechselspiel rauher und zerbrechlicher Parts. Atmosphärische Gitarren überschwemmen die genialen Riffs dazu ein Drumming, das Maßstäbe setzt. Für eine Sekunde möchte man an Rush denken oder an Pink Floyd oder auch King Crimson, ohne daß man die Musik dieser Bands mit der von Porcupine Tree nun wirklich vergleichen könnte. 'Where We Would Be' ist ein weiterer fantastischer Song, dessen Melodien an die besten Momente von U2 oder Tears For Fears erinnert und in einem wunderbaren, schrägen Gitarrensolo gipfelt, bevor das l3minütige 'Russia On Ice' den unvermeidlichen Longtrack bietet. Hier fahren die Briten in epischer Breite noch einmal ihr komplettes Repertoire auf, wo dann auch furiose Ausflüge in härtere Gefilde neben traumhaften Gitarrensoli ihren Platz finden. Wem King Crimson zu wenig eingängig sind, der wird hier ein Fest erleben. 'Feel So Low', darf dieses Album auf sanfte Weise beschließen und läßt den Hörer nach insgesamt 55 Minuten in einem ekstatischen Zustand zurück, wie man ihn sonst vielleicht von Yes' Awaken gewöhnt ist: Ein Album, das ohne Hauruck-Effekte auskommt und jeden Proggie über die aktuellen Single-Charts lächeln läßt. Ein nettes Artwork, das jeglichem Klischee entsagt, rundet diese einzigartige CD ab.
Fazit: Schlagt Euch das nächste Pink Floyd-Album aus dem Kopf und besorgt Euch dieses! Es ist nicht mehr und nicht weniger als ein Meisterwerk.

Harald Schmidt
Empire - Magazin für anspruchsvolle Rockmusik Nr. 54 (3/2000)
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Rock Hard Nr. 166 (03/2001) - Tour Edition:

Rock Hard Nr. 166 (03/2001)Rechtzeitig zur großen Deutschland-Tour bugsieren die exzentrischen Prog-Briten ihr letztes Album "Lightbulb Sun" ein zweites Mal in die Verkaufsregale, diesmal als schmucke Doppel-CD im Pappschuber. Wer die Original-Silberscheibe schon besitzt, ist natürlich in den Arsch gekniffen - manche Plattenfirmen werden wahrscheinlich nie kapieren, dass man sich mit solchen Veröffentlichungen die Käufer vergrault. Alle anderen, noch "Lightbulb Sun"-losen Freunde von Sounds aus der Pink Floyd- oder Manic Street Preachers-Ecke sollten sich den Doppeldecker aber zulegen, denn neben dem regulären, bärenstarken Longplayer (s. Review in RH 157) gibt's hier noch den Live-Klassiker 'Tinto Brass', das "Stupid Dream"-Highlight 'Pure Narcotic', das sehenswerte Video zu 'Piano Lessons' und mit 'Buying New Soul' einen sehr sphärischen Ausblick auf das nächste Album "Recordings".

Michael Rensen
Rock Hard Nr. 166 (03/2001)
Note: Keine Bewertung
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Rock Hard Nr. 157 (06/2000)

Rock Hard Nr. 157 (06/2000)PORCUPINE TREE zählen spätestens seit ihrem letzten Album "Stupid Dream" zu den größten Hoffnungsträgern der Artrock-Szene. Der Sound der Briten hebt sich wohltuend vom Bombast-Kitsch vieler anderer Prog-Bands ab, verknüpft modernen, melancholischen Feeling-Rock à la Manic Street Preachers und Radiohead mit federleichten Traumreisen, dezenten Heavy-Riffs und Pink Floyd-Querverweisen. Auf "Lightbulb Sun" schrauben die Jungs um Sänger/Gitarrist Steven Wilson die moderneren und härteren Elemente allerdings wieder ein kleines bisschen zurück, mopsen zwei, drei alte Genesis-Zitate und toben sich bei den überlangen Epen 'Hatesong' und 'Russia On Ice' auf psychedelischen Endsechziger / Frühsiebziger-Spielwiesen aus. Manchmal fühlt man sich an ältere PORCUPINE TREE-Longplayer wie "The Sky Moves Sideways" erinnert, allerdings schaffen es die Herrschaften bei aller Rückbesinnung wundersamerweise, zu jeder Sekunde absolut zeitgemäß zu klingen. Hauptverantwortlich dafür sind die sehr luftig gestrickten, atmungsaktiven Arrangements und Wilsons einzigartige Gesangsmelodien, die sehr imposant über straffen Rockern wie der ersten Single 'Four Chords That Made A Million' oder dem Titeltrack thronen. Richtig kuschelig-wehmütig wird's dann bei zauberhaften Balladen der Marke 'How Is Your Life Today?' und 'Feel So Low', die sehr geschickt zwischen Gänsehaut-Kribbeln und einem vagen Fernweh pendeln. Die etwas satter durch den Abtastlaser huschenden Refrain-Wunder 'Shesmovedon' und 'The Rest Will Flow' komplettieren ein äußerst abwechslungsreiches Album, das zwar nicht ganz die kompakte Magie von "Stupid Dream" verströmt, aber trotzdem zu den schönsten Seelenreinigern der letzten Jahre gehört.

Michael Rensen
Rock Hard Nr. 157 (06/2000)
Note: 8,5 - 10xDynamite-Review
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Heavy, oder was!? Nr. 52, 2000:

Ich hör' sie schon Verrat schreien, die Altfans der Briten Porcupine Tree. Denn Steve Wilson, eigenwilliger Kopf der Band, hat es gewagt: er ist den Weg, den er bereits auf 'Stupid Dream' eingeschlagen hat, konsequent weitergegangen. Weg von psychedelischen Trips mit Überlänge, hin zu kompakten, eingängigen Songs. Darf man Pop sagen? Man darf. Und Meister Wilson würde wohl nicht widersprechen. Doch wer Pop gleichsetzt mit oberflächlichem Geträller bar jeden Anspruchs, liegt falsch. Eine eingängige Melodie hat noch keinem Song geschadet und zehn Breaks pro Minute garantieren noch lang nicht musikalische Substanz. Fakt ist: Steve Wilson hat einige der interessantesten (und eben eingängigsten) Songs seiner Laufbahn geschrieben. Und in diesen finden sich eben nicht mehr nur Einflüsse von PINK FLOYD oder KING CRIMSON, sondern eben auch von CROSBY, STILLS, NASH & YOUNG, den BEATLES oder den BEACH BOYS wieder. Die melancholische Grundstimmung, die sich wie ein roter Faden durch das Oeuvre PORCUPINE TREEs zieht, blieb indes erhalten und garantiert alleine so schon, daß 'Lightbulb Sun' nicht einmal annähernd flach wirkt. Und wer genau hinhört, wird in Musik und Texten immer noch ausreichend Haken, Ösen und Details finden, um das Etikett mit der Aufschrift "kommerziell" schnell wieder abzureißen. Anspieltips: das wundervolle 'She's Moved On' und das 13minütige 'Russia On Ice', das wohl am ehesten den Erwartungen alter PT-Freunde entspricht.

Heavy, oder was!? Nr. 52, 2000
11 von 12 Punkten
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Metal Hammer Juli 2000:


Hurra, die neue Porcupine Tree ist da! Immer wieder auf's Neue verblüfft diese englische Band um Mastermind Steven Wilson, denn eine derartig tiefschürfende Intensität legen nur die echten Könner an den Tag. Im Gegensatz zum letzten Werk STUPID DREAM orientiert sich LIGHTBLUB SUN wieder an früheren Zeiten und wartet somit mit einigen psychedelischen Passagen auf, die fast schon eine nervenzerreißende Wirkung haben. Im Grunde vereinen Porcupine Tree die großartigsten Momente von Superbands und unsterblichen Künstlern wie King Crimson, Pink Floyd, ELO, Yes, ELP, Simon & Garfunkel oder Marillion in ihrer Musik, allerdings mit einer starken eigenen, oftmals düsteren Note. Hier gibt's keine stilistischen Grenzen und es ist keine Genrezuordnung möglich. Unter durchweg brillanten, künstlerisch sehr hoch einzustufenden Tracks stechen insbesondere 'Shesmovedon' (warmherziger Refrain, schließt ab mit einem sich immer mehr steigendem Gitarrensolo), 'Hatesong' (gemächlicher Beginn, toll arrangiert, spannungsgeladen) und das 13-minütige Meisterwerk "Russia On Ice" (Gänsehaut-Melodien, sehr intelligenter Aufbau, fulminante Instrumentalteile, grandioser Gesang, erdrückende Dynamik) heraus. Meiner Meinung nach unterstreichen Porcupine Tree mit LIGHTBLUB SUN ihren Status als aufregendste, abenteuerlustigste und facettenreichste Rock-Band der Gegenwart. Nehmt euch etwas Zeit, und ihr werdet diese Truppe lieben!

Detlef Dengle
Metal Hammer Juli 2000
7 von 7 Punkten
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 Copyright © 2010 Uwe Häberle   Graphics used with kindly permission by Lasse Hoile