CD-Kritiken zu "Stars Die - The Delerium
Years '91-97":
Eclipsed Nr. 40 (03/2002):
Am besten was neues ... von Porcupine Tree
Das
Dasein als PT-Fan ist eigentlich sehr befriedigend. Während es
von manch anderer Band jahrelang kein Lebenszeichen gibt, lässt
sich das persönliche PT-Tagebuch beinahe täglich mit Neuigkeiten
füllen. Selbst in Zeiten, wo kein reguläres, neues Album ansteht,
schmeißt die Band nebenbei mit Musik nur so um sich wie die Jecken
die Kamelle am Rosenmontag. Im abgelaufenen Jahr 2001 beispielsweise
wurde erst anlässlich der Europa-Tour das 2000er "Lightbulb
Sun"-Album neu aufgelegt, versehen mit einer Bonus-Mini-CD, die
ungefähr 1,5 neue Lieder enthält. Weiter ging es mit der "Recordings"-Zusammenstellung,
die einige der Bonus-Tracks der vergangenen Jahre vereinigt und –
wer hätte das gedacht? – ein paar Tracks mit dem magischen
Prädikat "previously unreleased" sowie neue Versionen
älterer Songs bietet. Dann gab es das in ganz Europa heißgeliebte,
griechische Musik-Magazin „p?p + ???“, das nicht nur ein
Interview mit PT-Mastermind Steven Wilson führte. Nein, dem Heft
wurde eine exklusive PT-CD-Maxi beigelegt. Zwar sind nur vier bekannte
Tracks darauf, doch erlangt dieses musikalische Kleinod mittlerweile
respektable Preise bei www.ebay.com.
Wieso eigentlich? Als ordentlicher PT-Anhänger hat man doch gleich
zwei Wochen Rhodos gebucht und Magazin+CD vor Ort erstanden. Unvermeidlich
rückte dann die Weihnachtszeit näher und die Band erreichte
den kulminativen Höhepunkt ihres Outputs in 2001: Nahezu simultan
erschienen die CD-Version der bereits 1998 auf Doppel-Vinyl veröffentlichten,
1-stündigen Studio-Improvisation "Metanoia" und eine
40-minütige Version des alten PT-Tracks "Moonloop". Resultat:
Eine kollektive Exstase aller PT-Jünger. Kann das Leben schön
sein! "Moonloop" dürfte demnächst bei Ebay die höchsten
Einschaltquoten haben, wurde diese CD samt ihrer wirklich hübschen,
blauen Gummihülle (ohne Noppen übrigens!) nur an die ehemaligen
Abonnenten des mittlerweile eingestellten PT-Newsletters verschickt.
"Metanoia" auf CD ist um zwei Tracks reicher als "Metanoia"
auf Vinyl, doch – jetzt bitte keine voreiligen Schlüsse –
waren diese beiden Tracks nicht neu, sondern wurden bereits 1997 auf
der PT-Cassette (!) "Insignificance" veröffentlicht.
Diese Cassette müsste eigentlich jeder besitzen, denn ihre Auflage
ist nur als XXL zu bezeichnen: Extrem extrem limitiert.
Außenstehende in Sachen Porcupine Tree dürften über
soviel Verrücktheit der PT-Fans nur den Kopf schütteln und
der Band vorwerfen, mit dieser Veröffentlichungspolitik den Fans
das Geld aus den Taschen zu ziehen. Da ist was Wahres dran. Schon früher
wurden neben den Alben zahlreiche Singles und Maxis unters Volk gestreut,
die natürlich mit neuen Bonus-Tracks aufwarteten. Aber man frage
mal einen dieser vom PT-Fieber infizierten Menschen und erhält
als Antwort: "Ich will alles haben, was von der Band kommt,
solange die Qualität so bleibt, wie sie bisher immer war."
Damit ist das Stichwort gefallen und wir sind bei der Musik selbst.
"Metanoia" wurde bereits in Eclipsed 39 beschrieben und "Moonloop"
in seiner 40-minütigen Fassung ist das, wovon viele geträumt
haben. Ein Long-Trip par excellence, ruhig, mystisch, schwebend, gefühlvoll,
detailreich, majestätisch, dynamisch, spannend, wie von einem anderen
Stern.
Apropos XXL und Sterne: Brandaktuell ist die Doppel-CD "Stars
Die" erschienen, eine extra-extra-luxuriöse Veröffentlichung
in gediegener Box, mit voll fettem Booklet und über 146 Minuten
PT-Musik. Da waren mal wieder hektische Flecken bei den PT-Verrückten
unvermeidbar, denn die Box erschien nur in einer – wie sollte
es anders sein? – limitierten Auflage und beinhaltet neben bekannten
Tracks der ersten vier Studio-Alben vom Delerium-Label auch die üblichen
Köder: Neue Versionen alter Lieder, rare Tracks und bisher unveröffentlichte
Songs. Die Tour ins PT-Delirium startet mit den Tracks "Radioactive
toy", "Nine cats", "And the swallows dance above
the sun" sowie "The nostalgia factory" vom Debüt-Album
"On The Sunday Of Life". Von diesem Album hätte ruhig
noch die Melancholie-hoch-drei-Nummer "It will rain for a million
years" auf "Stars Die" drauf sein können. Es geht
weiter mit einer Version von "Voyage 34 phase1", die bereits
auf dem "Pick & Mix"-Delerium-Sampler (siehe Eclipsed
32) vertreten ist und sich sowohl vom V34-Original als auch vom V34-Complete
Trip unterscheidet, aber nur minimal und nur vom PT-Freak erkennbar.
Es folgt eine neue, fast 8-minütige Version von "Synesthesia",
die sich vom 5-minütigen Original des "Up The Downstair"-Albums
nur durch ein längeres Intro und Outro unterscheidet. Das folgende
"Phantoms", ein ruhiger, unscheinbarer Track mit hübschen
Keys am Ende, war bisher unveröffentlicht und lediglich als MP3-File
von der offiziellen PT-Website erhältlich. Der Track "Up the
downstair" erscheint im neuen 2001-Remix-Gewand. Lediglich die
Drums klingen etwas voller und hauchen dem Track mehr Kraft und Energie
ein. Die Kraft und Energie, die er bei Live-Aufführungen besitzt.
Das folgende "Fade away" ist der letzte vertretene Track des
"Up The Downstair"-Albums. Schade, denn wo bleibt das überragende
11-minütige Instrumental "Burning sky"? Statt dessen
beendet das ruhige "Rainy taxi" vom "Staircase Infinties"-Minialbum
die erste "Stars Die"-CD. Der erste Track der zweiten CD ist
"Stars die" selbst, das bisher lediglich auf einer CD-Maxi-Single
und der US-CD-Version von "The Sky Moves Sideways"-Album erhältlich
war. Und natürlich auf dem "Art Of Sysyphus Vol 11"-Sampler.
In seiner gänzlichen, 18-minütigen Pracht folgt "The
sky moves sideways phase 1" und dann "Men of wood". Dieser
3-minütige Track ist bislang unveröffentlicht und bildet eine
Mischung aus dem alten "Linton Samuel Dawson" und dem 99er
"4 Chord that made a million", allerdings mit außergewöhnlichen
Gitarren: Dreckig, verzehrt, heavy. Und schon ist die "Stars Die"-Collection
beim letzten Delerium-Studio-Album "Signify" angekommen: "Waiting
phase 1", "Every home is wired", "Sever" und
das göttliche "Dark matter" (Warum bloß hat die
Band diesen Song so selten live gespielt?) kommen in ihren bekannten
Versionen daher. Mit "Signify II" ist aber eine komplett andere
Version des Titeltracks vertreten. Mit 6 Minuten ist es fast doppelt
so lang wie das Original, wesentlich ruhiger, mit den Keyboards im Vordergrund
und sogar etwas akustischer Gitarre. Im übrigen unterscheidet sich
"Signify II" auch von der "Signify"-Version, die
auf der bereits erwähnten "Insignificance"-Cassette erhältlich
war. Als weiteren Bonbon sind auch sämtliche drei Bonus-Tracks
der "Waiting"-Single-Auskopplungen dabei: "Fuse the sky"
und "Colourflow in mind" (von der Vinyl-Version) und "The
sound of no-one listening" (von der CD-Single). Letzteres in einer
neuen Abmischung, was aber kaum hörbar ist. Alles in allem ist
die "Stars Die"-Box ein guter, mit kleinen Leckereien versehener
Einstieg in die ersten PT-Alben, obwohl sie nie und nimmer den Kauf
dieser Alben ersetzen kann.
Das Jahr 2002 bietet aber noch viel mehr. PT haben bei dem Major-Label
Atlantic unterschrieben. Es wird Promotion, Single-Auskopplungen und
Videos geben. PT on MTV! Welch kuriose Vorstellung. Das neue Album wird
gerade aufgenommen und ist für diesen Sommer angekündigt.
Fans und Kritiker befürchten damit einen Verlust der musikalischen
Freiheit. Doch Steven Wilson wiegelt ab und bestätigt, dass die
Verantwortlichen bei Atlantic große PT-Fans seien. Außerdem
lasse er sich nicht verbiegen, lieber erleide er mit seinen eigenen
Sachen Schiffbruch. Und die vielen Raritäten? Auch hier zerstreut
er alle Befürchtungen der PT-Maniacs: Es wird weiterhin neben den
Atlantic-Veröffentlichungen diverse limitierte Veröffentlichungen
geben. Einige konkrete Dinge schweben im bereits vor. Daher ein Tipp
an alle PT-Süchtigen: Geht schnell zu einem Banker Eures Vertrauen
und holt Euch einen Kleinkredit. Es wird wieder teuer in 2002!
Progressive Newsletter Nr. 40 (06/2002):
Gleich
zwei Alben innerhalb kürzester Zeit wurden von Porcupine Tree,
respektive ihrem ersten Label Delerium, auf den Mark gebracht. Dabei
handelt es sich um eine Art "Danke schön" der Band an
Delerium, die nicht einen unerheblichen Einfluss bzw. Anteil am ansteigenden
Erfolg der Briten hatten. Delerium waren es schließlich, die im
Glauben an Steven Wilsons frühe Aufnahmen mit "On the Sunday
of life" eine Zusammenstellung der allerersten Tapes herausbrachten
und das Soloprojekt, aus dem später eine richtige Band werden sollte,
unterstützten und förderten, bis man schließlich nach
dem 97er Livealbum "Coma Divine" in Freundschaft getrennte
Wege ging und Porcupine Tree zu Snapper wechselten. Mittlerweile haben
Porcupine Tree einen Majorvertrag bei Lava Records, einem Sublabel von
Atlantic Records, in der Tasche und sind gerade dabei ihr erstes Album
für den neuen Vertragspartner aufzunehmen. So erhofft man natürlich
im Sog dieser Veröffentlichung die Nachfrage nach älteren
Aufnahmen anzukurbeln, wobei davon auch Delerium profitieren könnten.
"Metanoia" und "Stars Die" dokumentieren die unterschiedlichen
Seiten von Porcupine Tree, dürften damit eventuell denjenigen,
die erst später auf die Briten gestossen sind, nicht unbedingt
vollständig zusagen. Jedoch sind beide, auf ihre ganz eigene Art,
zwei äußerst interessante und empfehlenswerte Alben.
"Stars Die" bietet als Gegensatz dazu mit über 145 Minuten
Musik einen überfassenden Überblick der Jahre 1991-97, als
Porcupine Tree ihre ersten fünf Alben, bei dem englischen Psychedelic
Label veröffentlichten. Allein die Verpackung ist schon fast den
Preis dieser liebevoll zusammengestellten Compilation wert. Verpackt
in einer Box, stecken die beiden CD in durchsichtigen Hüllen (gelb
und blau) ergänzt um ein 40-seitiges Booklet mit der ausführlichen
Bandhistorie, jeder Menge Bilder und Liner Notes zu jedem Titel. Doch
"Stars Die" ist keine simple "Best of" Zusammenstellung,
vielmehr wurden die besten Titel der Studioalben bzw. "normalen"
Veröffentlichungen (u.a. "Radioactive toy", "Up
the downstair", "Voyage 34", "The Sky Moves Sideways",
"Waiting") um rare Singletracks, neue Mixe und zudem drei
bisher nicht veröffentlichte Titel ergänzt. So macht diese
Album auch dann Spass und Sinn, wenn man bereits alle Studioalben der
Band besitzt. Wer im Besitz der raren B-Seiten ist, bekommt immerhin
unveröffentlichte Titel und Remixe als Anreiz geboten. Gerade die
stilistische Bandbreite von Porcupine Tree, die von akustischen Nummern,
floydigen Progressive Rock bis hin zu spacig-psychedelischen Dancetracks
reicht, macht aus "Stars Die" eine spannende Angelegenheit,
da einem die Band nicht immer die gleiche Kost, sondern jede Menge Abwechslung
serviert.
Da aus rechtlichen Gründen das bereits angekündigte Livealbum
von der letzten Tour vorerst auf unbestimmte zeit verschoben wurde,
bleibt abzuwarten, mit was Porcupine Tree ihre Fans auf dem nächsten
Studioalbum überraschen werden. So lange kann man sich bestens
die Zeit mit "Metanoia" und "Stars Die" vertrösten.
Empire Nr. 63 (2/2002):
Auf
der gnadenlos gut verpackten Doppel-CD "Stars Die" werden
die Porcupine Tree Anfangsjahre, also 1991 bis 1997 beleuchtet und zusammengefasst.
Neben zum Teil neu abgemischten Klassikern wie "Up The Downstair"
und "Fadeaway", diversen (Maxi)Single-Tracks "Stars Die"
und "Colourflow In Mind" bietet diese Compilation auch bisher
unveröffentliches Material. In Anbetracht der Qualität von
Songs wie beispielweise "Men Of Woods", "Phantoms"
und "Signify 2"; wird es allerdings auch höchste Zeit,
diese endlich ans Tageslicht zu befördern. Los geht CD1 mit dem
über 10 minütigen, grandios arrangierten "Radioactive
Toy", gefolgt von "Nine Cats" und "And The Swallow
Dance Above The Sun". Aber auf einzelne Titel einzugehen, macht
wohl kaum Sinn, da bei Porcupine Tree die Qualität einfach durchweg
famos ist - und es nie öde wird, immer wieder reinzuhören.
Es kann also nur ein Fazit geben: Diese Porcupine Tree-Veröffentlichung
- in luxuriös aufgemachter Box, mit dickem Booklet und zweieinhalb
Stunden hervorragender Musik - muß jeder haben. Egal ob man die
bisher erschienen Alben bereits im Regal stehen hat oder die Band gerade
erst entdeckt hat. Und, im Spätsommer sollte dann wohl auch das
erste Majoralbum von Wilson & Co in den Läden stehen.Bis dahin
hat man also Zeit "Stars Die" und die ebenfalls kürzlich
erschienene CD "Metanoia" zu erforschen.
UMO - Unbekannte Musikalische Objekte 001 (08/2002):
Natürlich
ist es nicht einfach, aus den vielen guten Scheiben die herauszufinden,
die auch ein passendes und erst recht noch gut gemachtes Artwork hat.
Denn gerade in unserer Musikszene legen die Bands noch Wert auf ein
gutes Äußeres. Wieso eigentlich? Oberflächlichkeit ist
doch gerade bei unserer Musik kein Thema...
Wie eben unsere Musik seine Wurzeln irgendwo in den 70ern oder früher
hat, so begann damals auch der Kult der Covers. Eine Band, die wirklich
etwas auf sich hielt, wollte auch ein gutes Cover, ja noch besser, ein
gutes Gesamtartwork haben. Allen voran stand Pink Floyd, deren Platten
von Storm Thorgerson nicht nur eingepackt, sondern genial eingebettet
wurden.
Gute Musik wirkt nicht nur auf die Ohren, nein gute Musik soll mehr
Sinne, vor allem eben auch die Augen ansprechen. Und Porcupine Tree
hatte eigentlich schon immer das Flair auch das Optische mitwirken zu
lassen. Dazu kommt, dass alle vier Redakteure des UMO sowohl mit Porcupine
Tree, wie auch mit der "Stars Die" einen würdigen Anfang
dieser Rubrik gefunden haben. Lange Diskussionen gab es diesmal nicht.
Die Anfang dieses Jahres erschienene Zusammenstellung der Jahre, die
Porcupine Tree bei Delerium-Records verbracht hatte, ist neben der musikalischen
auch eine optische Augenweide. OK, das eigentliche Titelbild wurde bereits
auf der Moonloop-Maxi verwendet, aber das macht bei diesem Hammerbild
- das durchaus aus der Feder Storm Thorgersons stammen könnte -
gar nichts. Bei dieser 2CD-Box stimmt eben einfach alles. Es wurde nicht
die übliche Plastikverpackung gewählt, nein eine schöne
und super verarbeitete Pappschachtel, in der die beiden CDs in verschieden
farbigen Kunststoffhüllen eingelegt sind, lässt alles sehr
exklusiv? aussehen. Der Überhammer der ?Stars Die?-Box ist aber
das sehr schön gemachte und vor allem sehr ausführliche 40-seitige
Booklet in dem eine Bandgeschichte steht, die auch dem Porcupine Tree-Kennern
noch einiges an Neuem bringt.
Musikalisch, optisch und von der Information her ein Meisterwerk,
wie man es eigentlich auch von anderen Bands erwarten würde. Porcupine
Tree zeigt, wohin eine gute Band als Ganzes gehen will.